Winzer profitieren vom Klimawandel
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Bühl (gero) - Leo Klär ist ein Achertäler, ein bodenständiger und besonnener Mensch. Emotionale Ausschläge nach oben oder unten liegen ihm fern. Der Kellermeister der Affentaler Winzer weiß, wo er am ersten Montag im September stets zu erscheinen hat: an seinem Arbeitsplatz am Betschgrabenplatz. In der Zwetschgenfest-Woche beginnt traditionell die Weinlese, zumindest für neuen Wein, der ab 9. September auch in die Gastronomie kommt. Relativ emotionslos freut sich Klär also auf einen "sehr guten Jahrgang" mit einer durchschnittlichen Ertragsmenge.
Der 2019er Jahrgang hatte in vielerlei Hinsicht Glück: Es gab keine Nachtfröste und keine Trockenschäden, weil sich immer wieder mal eine Gewitterwolke ausregnete. Damit waren alle Voraussetzungen für einen "ausgeglichenen Vegetationsverlauf" gegeben. Lediglich Ende Juli verspürte der Kellermeister ein mulmiges Gefühl, als eine neuerliche Hitzewelle anrollte, der aber unmittelbar "ausreichende Niederschläge" folgten. Auch der Mehltau, ein Pilz mit dem lateinischen Namen Oidium, war rasch eingegrenzt und bekämpft. Keine Rolle spielen bislang die Mega-Schädlinge Peronospora oder die Kirschessigfliege. Im Klartext: "Die Trauben sind prall und gut entwickelt. Wir blicken auf schöne Bestände, alle Winzer sind zufrieden. Alles andere wäre eine Untertreibung." Und die Oechslegrade stimmen: Sie liegen bei den Lesetrauben wie Müller oder Findling bei 65 bis 73 Grad und damit exakt im Jahreszeitkorridor. Mehr sollten es auch nicht sein, weil die Weine ansonsten zu schwer, zu breit, sprich zu alkoholreich würden. Gestern schnitten sieben Winzer Trauben auf 1,5 Hektar vom Stock. Das reicht für etwa 12 000 Liter "Süßer" und rund zwei Wochen. An vorderster Front dabei ist Stefan Meier. Der Vorstandsvorsitzende der Affentaler Winzer und Vollerwerbslandwirt erntete auf 30 Ar mit zwölf Helfern aus dem Familien- und Freundeskreis. In der Hauptsaison stoßen zehn rumänische Erntehelfer dazu. Meiers erster Eindruck vom Lesegut: "Schön und gesund." Sollten der Klimawandel und die damit einhergehende Erderwärmung eine positive Seite haben, dann wären die Winzer die Profiteure davon. Unreife und witterungsbedingt schlechte Jahrgänge wie 2000 und 2006 gehören längst der Vergangenheit an. Dafür ist man mit Insekten konfrontiert, die es früher nicht gab. Andererseits können Sorten wie Cabernet Sauvignon, Chardonnay oder Traminer angebaut werden, "ohne als Hasardeur zu gelten", sagt Klär, der 1997 zur Affentaler WG stieß. Für eine Prognose, ob der Riesling weiter an Stellenwert verliert, sei es noch zu früh. Die Affentaler haben hier allerdings die Option für einen Anbau in den höhren Lagen. Auch der Merlot sei "deutlich unproblematischer" im Vergleich zur "Primadonna" Spätburgunder. Und doch unterscheidet sich der Jahrgang 2019 von seinen Vorgängern bei der Logistik fundamental. Erstmals nämlich seit der Fusion mit der Baden-Badener Winzergenossenschaft liefern die Rebländer ihr Lesegut in Affental ab, lediglich in der Hochsaison der Lese werden zu Spitzenzeiten Riesling und Spätburgunder auch in Neuweier vergoren und im Frühjahr in den Affentaler Keller umgelagert. Leo Klär ist fest davon überzeugt, dass sich "die Abläufe einspielen werden". Im Vorfeld habe es diesbezüglich bereits Gespräche und Vor-Ort-Termine gegeben. Und bei Bedarf werde eben nachjustiert. Die fusionierte neue Genossenschaft wird von Dr. Ralf Schäfer und Kelle rmeister Leo Klär geleitet. Von den zusammen 900 Mitgliedern sind 700 Nebenerwerbswinzer. Der Zeitplan für die Hauptlese steht nach Lage der Dinge einigermaßen fest: Sie erfolgt Mitte/Ende September mit Müller, Regent, Dornfelder und den weißen Burgunder-Sorten. Mitte Oktober kommen dann die letzten Trauben ins Fass, sobald sie ihre Bestform erreicht haben. Danach beenden die Edelsüßen den Herbst. Mit dem Wein, hat Klär noch ein Bonmot auf Lager, verhalte es sich wie mit einem Kellermeister: "Sie werden mit jedem Jahr besser." Klär ist mittlerweile 59.
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