Pommes mit System
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Von Holger Siebnich
Bühl - Die acht Jungs, die um kurz nach 10 Uhr vor dem Kiosk des Schwarzwaldbads stehen, wollen ein deftiges Frühstück: Pommes mit Mayo - der Schwimmbadklassiker schlechthin. Also wirft Bora Cengiz die Fritteuse an, um ihnen den fetten Wunsch zu erfüllen. Der 35-Jährige hat den Gastronomiebetrieb seit vergangener Sommersaison gepachtet. Sein Arbeitsalltag besteht aber aus weit mehr als Pommes, Eis und Gummibärchen. Cengiz hat das ehrgeizige Ziel, das kulinarische Angebot in Schwimmbädern auf eine neue Stufe zu heben. Das Zauberwort heißt Systemgastronomie. Cengiz hat die Thematik quasi mit der Muttermilch aufgesogen. Seine Eltern betrieben die Schwimmbadgastronomie in Kehl. "Ich bin sozusagen im Schwimmbad aufgewachsen", sagt er. Nach dem Studium schlug er aber erst einmal eine andere Richtung ein. Als Verkaufsleiter bei einem Discounter-Konzern managte er mehrere Filialen. "Aber irgendwann kam die Frage nach der Selbstverwirklichung", erzählt Cengiz. Die Antwort lag für ihn in der Rückkehr zu den familiären Wurzeln. Doch mit seinem betriebswirtschaftlichen Knowhow wollte er schon ein größeres Rad drehen. Die Idee: "Das Filialkonzept auf die Schwimmbadgastro-Branche zu übertragen." Drei Jahre lang tüftelte er an dem Konzept, bevor er 2017 in Zell am Harmersbach unweit seiner Heimat Gegenbach den ersten Betrieb eröffnete. Mittlerweile führt er vier Standorte. Neben Bühl sind noch Offenburg und Biberach hinzugekommen. Speisekarte und Getränkeangebot der "Cengiz-Schwimmbadgastronomie" sind überall gleich. Auch die Zubereitung folgt einem klaren System. Auf einem einfolierten Blatt in der Küche ist beispielsweise ein Bild des Wurstsalats zu sehen, darunter stehen Mengenangaben und Arbeitsschritte. "Wenn ich jemandem die Zubereitung einmal zeige, hat er das drauf", sagt Cengiz. Ob Wurstsalat, Pommes oder Burger: Qualität und Geschmack sollen an allen Standorten identisch sein. Auch jedes Ausgabefenster hat seine feste Funktion, die Abläufe an Kasse, Kaffeemaschine und Küche sind geregelt. "Klare Strukturen" sind laut Cengiz der Kern der Systemgastronomie. Seine Mitarbeiter sind dadurch in der Lage, in allen Bädern Schichten zu übernehmen. Das Team in Bühl besteht aus 15 Kräften, zwei Festangestellte und 13 Aushilfen. Insgesamt beschäftigt Cengiz rund 90 Mitarbeiter. Der Chef selbst steht nur noch selten an der Fritteuse. Er hält den Laden organisatorisch am Laufen, erstellt Dienstpläne, verhandelt mit Lieferanten und plant die weitere Expansion des Unternehmens. Denn es soll nicht bei vier Standorten bleiben. "Es laufen Bewerbungen", sagt er. Auch bei der Stadt Bühl hatte er aus Eigeninitiative seinen Hut in den Ring geworfen. Geschäftsführer Jörg Zimmer findet nur lobende Worte für den neuen Pächter: "Sehr angenehm, sehr zuverlässig." Cengiz leiste beste Arbeit "unter nicht optimalen Bedingungen". Zimmer spielt damit auf die baulichen Gegebenheiten in dem schmalen Kiosk an. Wenn sich wie am vergangenen Sonntag 2 300 Besucher im Bad drängen, rödeln hinterm Tresen fünf Mitarbeiter, um den Andrang zu bewältigen. Die Enge verlangt ihnen eine exakte Choreografie ab, damit sie sich nicht auf die Füße treten. Cengiz würde gern die Wand zwischen Küche und Verkaufsraum entfernen, um mehr Offenheit zu schaffen. Zimmer kann das nachvollziehen. Vielleicht in der nächsten, spätestens aber in der Saison 2021 sollen bessere Verhältnisse herrschen. Der Vertrag mit Cengiz läuft aktuell bis 2020. Der Systemgastronom könnte sich eine Verlängerung gut vorstellen. Seine Familie unterstützt ihn. Die Mutter arbeitet in Biberach mit. Seine Ehefrau entwickelt neue Rezepte und Ideen für das kulinarische Angebot. Im Sommer erwartet das Paar das zweite Kind. Wenn die Geschäfte weiter gut laufen, wird der Nachwuchs wohl viel Zeit im Schwimmbad verbringen - so wie einst der Papa.
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