Anwohner fürchten Schäden
Von Thomas Senger
Gaggenau - Mit offiziellen Spatenstichen ist es so eine Sache. Sie sind nur symbolisch. Wenn sie stattfinden, tut sich wochenlang nichts mehr auf der Baustelle - oder die Bagger sind schon längst angerollt. In der Jahnstraße 11 a ist Letzteres der Fall, wenn am Mittwoch die Stadtwohnung Gaggenau zum Baubeginn eines großen Wohnhauses bittet: Sehr zum Unmut von Anwohnern. Sie sehen ihre schlimmen Bedenken bestätigt - und haben sich nun an das Regierungspräsidium gewandt. Es möge seine Fachaufsicht walten lassen und ihre Sorgen berücksichtigen. Die städtische Wohnbaugesellschaft weist die Vorwürfe zurück. Für eine Reihe von Anwohnern hat der pensionierte Beamte und ehemalige Auslandsbotschafter der Bundesrepublik, Roland Herrmann, das Schreiben an Regierungspräsidentin Sylvia Felder verfasst. Das Baugrundstück grenzt an das zu seinem Elternhaus gehörende Grundstück, das ihm und seinen Geschwistern in Erbengemeinschaft gehört. Von diplomatischer Zurückhaltung kann in seinem Schreiben nicht die Rede sein. Denn, so Hermann, es "steht zu befürchten, dass durch Fahrlässigkeit, Schlamperei oder gar Vorsatz Vorschriften verletzt, öffentliche Mittel verschwendet und schwerwiegende Schäden am Eigentum der Nachbarn verursacht werden." Aus einer langen Liste von Kritikpunkten nennt er die aus seiner Sicht wichtigsten: - Schon die Baugenehmigung sei möglicherweise nicht rechtmäßig zustande gekommen, da den Stadträten fehlerhafte Unterlagen (veralteter Bebauungsplan) vorgelegen hätten. - Die Beauftragung der Baufirma erfolgte möglicherweise aufgrund einer unvollständigen Ausschreibung. Ein Indiz sei der Verzicht auf einen Estrich im Keller. Dies erfordere teure Alternativmaßnahmen. - Eine Firma sei mit Erstellung eines Bodengutachtens beauftragt worden, der Kampfmittelräumdienst habe aber erst zwei Jahre nach den Bodengutachtern das Terrain untersucht. - Die Weiterführung der Arbeiten machte den Bau von fünf Entwässerungsbrunnen erforderlich, damit die Baustelle nicht absäuft: "Eine Unterrichtung der Nachbarn hat es nicht gegeben." Doch gerade die Grund- und Stauwassersituation in dem Gebiet gebe besonders Anlass zur Sorge. Nasse Fundamente und feuchte Keller in den alten Häusern kennt man zwischen Jahnstraße und Auweg zur Genüge. Als eine Ursache gelten unterirdische Strömungen vom nahegelegenen Hummelberg. Hermann: "Die eilige Niederbringung der Brunnen deutet darauf hin, dass die unterirdischen Strömungsverhältnisse nur unzureichend oder gar nicht untersucht worden sind. Der Neubau könnte schwere Schäden in einer Reihe von Nachbargebäuden bewirken. " Denn er verdränge - wie bereits zwei andere große Mehrfamilienhäuser in unmittelbarer Nachbarschaft - Grundwasser. Darüber hinaus könnten, so fürchten Anwohner, durch das Abpumpen Setzschäden an umliegenden Häusern entstehen. Auf BT-Anfrage entgegnet die Stadtwohnung Gaggenau: - "Sämtliche Genehmigungen liegen vor. Die Baugenehmigung vom 22. Juni 2018 ist rechtmäßig." Es habe auch kein veralteter Bebauungsplan vorgelegen. Dem Gemeinderat war allerdings 2016 einmal ein veraltetes Luftbild vorgelegt worden, das zwei neue große Wohngebäude in der Umgebung nicht gezeigt hatte. - Der Vorwurf einer unvollständigen öffentlichen Ausschreibung der Rohbauarbeiten sei "schlichtweg falsch". Weiter heißt es: "Es gab eine öffentliche Ausschreibung für die Rohbauarbeiten. Für den Einbau der ,weißen Wanne' war vorgegeben, diese in Absprache mit einem spezialisierten Unternehmen durchzuführen." Eine "weiße Wanne" ist quasi ein Grundwasserschutz; deshalb gebe es auch keinen Estrich. - Entwässerungsbrunnen: "Diese sind nur temporär und dienen der Absenkung des Grundwasserstandes während der Bauarbeiten." Eine Unterrichtung der Nachbarn hierüber sei nicht erforderlich. Doch hätten die Nachbarn "dadurch eher Vorteile als Nachteile" zu erwarten. - Beeinflussung des Grundwassers: Für die Baumaßnahme liege eine wasserrechtliche Erlaubnis des Landratsamts Rastatt für eine temporäre Grundwasserabsenkung vor. Das Wasser wird über fünf Brunnen und einen Sandfang über den bestehenden Kontrollschacht in die Kanalisation eingeleitet. Der Grundwasserstand soll dabei auf eine geplante Tiefe von 2,60 Metern abgesenkt werden. - Kampfmittel: Beim Bodengutachten 2016 sei der Hinweis gegeben, dass es sinnvoll sei, auch noch nach Kampfmittel den Boden zu untersuchen. Der Beseitigungsdienst war im Frühjahr 2019 vor Ort.
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